staatlich anerkannte Privatschule
Mädchenrealschule, Mädchengymnasium, Ganztagsschule Home Lageplan Kontakt Impressum/Datenschutz
Schule  Gemeinschaft  Gymnasium  Realschule  Orientierungsstufe  MSS  GTS  AGs  Nachrichten  Termine  Service 
  
 

Vom Theater im Tunnel · 5. März 2012

Schauspieler vom Stadttheater Trier an der SMS

Eine Rezension zur Vorführung von Dürrenmatts Kurzgeschichte “Der Tunnel” am 20.02.2012

Wie zwei Schauspieler des Trierer Theaters die Schülerinnen verwundern und auf sowohl lehrreiche als auch amüsante Art den „Tunnel“ von Dürrenmatt vermitteln.

Klingeln. Erste Stunde: Theaterkunde!
Mit den unterschiedlichsten Erwartungen treten die Oberstufenschülerinnen zur Doppelstunde „Interaktives Theater“ ein, manche skeptisch, andere offen, wieder andere gelangweilt. In Verbindung mit der Heilig-Rock-Wallfahrt sollen an diesem Tag Schauspieler des Trierer Theaters die Kurzgeschichte „Der Tunnel“ von Friedrich Dürrenmatt darbieten.
Der sich als Ernst Achim ausgebende Schauspieler beginnt äußerst motiviert das Warming-up mit den Schülerinnen, bei dem alle im „neutralen Gang“ jeder für sich den Raum durchschreiten soll. Die Übung wird durch spontane Anweisungen Achims gelenkt und als „Gedankenexperiment“ betitelt. Eine Schülerin kommentiert später diese Auflockerung: „Durch das Warm-up wird man auf das Schauspiel eingestellt.“
Nachdem alle erneut im großen Kreis Platz genommen haben und nun endlich den Beginn des „Tunnels“ erwarten, tritt völlig unerwartet Kai Nübel hinzu. Nach kurzer Irritation beginnen die beiden Schauspielkollegen zusammen mit der Texteinführung, es sei eine Premiere für sie, zu zweit aufzutreten; die Zuschauer sollen sich glücklich schätzen.

Die für alle noch unbekannte Kurzgeschichte, in der das Leben eines 24-jähriger Studenten eine ungeahnte Wendung nimmt, wird nun abwechselnd von Ernst und Kai zum Besten gegeben. „Die Schauspieler müssen mit wenigen Requisiten (Tisch, Stuhl, Zigarre) auskommen“, bemerkt eine Zuschauerin im Anschluss. Immer wieder entstehen kleine Pausen, in denen das Publikum ermutigt wird, sein Feedback zum Stück abzugeben.
Der Bahnreisende im Schauspiel bemerkt bereits die ungewöhnliche Länge des Tunnels, den er mit einem Zug durchfährt. Die Schülerinnen, die die Verwunderung des 24-Jährigen gut nachvollziehen können, haben nun die Gelegenheit, selbst ein Teil des Stückes mitzugestalten. Die Rollen des Reisenden und der übrigen Insassen werden verteilt und ein Textausschnitt pantomimisch dargestellt. Ernst und Kai, die durch kleine Querelen immer wieder aneinandergeraten und scheinbar um die Gunst des Publikums konkurrieren, erkundigen sich nach den Empfindungen der Zuschauer, welche die Situation des Reisenden als „beklemmend“ beschreiben und „neugierig aufs Ende gemacht werden“.
Während sich der Handlungsverlauf immer dramatischer entwickelt und der Zug mit stetig steigender Geschwindigkeit ohne Lokomotivführer dem Abgrund entgegenrast, fragen sich Schauspieler und Beobachter, warum Dürrenmatt ein solches Buch geschrieben hat. Hierbei äußern einige, die Dunkelheit des Tunnels stehe symbolisch für die Tiefen des Lebens oder das Sitzen im Zug für die Ohnmacht über sein Leben zu entscheiden.
Der 24-Jährige, der nach einer Unterhaltung mit dem Zugführer Kellner unter größter Anstrengung versucht durch den Maschinenraum in die Führerkabine zu gelangen, wird besonders mitreißend und lautstark von Kai Nübel nachgespielt, der von seinem Kollegen Ernst Achim nur Spott erntet. Von diesem Moment an beobachten die Schaulustigen nicht nur den Handlungsverlauf vom „Tunnel“, sondern auch mit ebenso viel Neugier die Streitigkeiten zwischen den beiden Darstellern. Man sei, so eine Zuschauerin, „emotional mit in den Konflikt hineingezogen“ worden.

Die Endszene der Kurzgeschichte, welche sich im Führerraum zwischen dem Zugführer und dem Mitreisenden abspielt, wird immer surrealer. Der 24-Jährige erfährt, dass die übrigen Bahnbeamten bereits zu Beginn des Unglücks vom Zug abgesprungen seien und Kellner lediglich aus Pflichtgefühl dortgeblieben sei. Der Aufprall sei nicht mehr abwendbar und die Katastrophe steuere auf das Ende zu. Der Student, welcher zu der Zeit von Kai Nübel gespielt wird, erwidert erbarmungslos auf die Frage des Zugführers, was nun zu tun sei: „Nichts“.
An dieser Stelle, die die zweite Auflage der Kurzgeschichte abschließt, erreicht der Konflikt zwischen Ernst und Kai ihren Höhepunkt, da Kai nun den Satz anschließt: „Gott ließ uns fallen und so stürzen wir denn auf ihn zu.” Diese Aussage schockiert Ernst in höchstem Maße, denn der Satz, der nur die Erstfassung beendet, dürfe nicht wiedergegeben werden. Hierbei beruft er sich auf den Regisseur, der den „Tunnel“ mit ihnen eingeprobt habe.
Kai und Ernst beginnen mit hitziger Miene eine Diskussion über den Tod als Erfüllung und weshalb Dürrenmatt den letzten Satz wieder revidiert habe. Beide Darsteller geben ihre religiöse Überzeugung preis, wobei Kai Nübel die eher christliche Ansicht vertritt und Ernst Achim diese Überzeugung nicht teilen kann. Letztlich eskaliert die Situation, da Ernst den Raum verlässt und Kai, der etwas niedergeschlagen wirkt, mit den Zuschauern alleine bleibt. Als auch dieser dem Publikum den Rücken kehrt, herrscht eine kurze Stille. Manche lachen nervös, andere fragen sich: „Ist das alles nur gespielt?“ und wieder andere schauen etwas geschockt drein; sie haben sich den Verlauf der Theaterstunde völlig anders vorgestellt.

Dann – endlich – öffnet sich die Tür und die beiden kommen strahlend herein und blicken in verdutzte Gesichter. Sie stellen sich als Sebastian Gasper und Ingo Paulick vor und lösen so die Anspannung. Die fiktiven Charaktere Ernst Achim (Ach-im-Ernst) und Kai Nübel (Kein-Übel) seien einstudiert worden; keine Zeile der vergangenen zwei Stunden stehe nicht im Textbuch.

Im Anschluss hatten Publikum und Darsteller Gelegenheit, sich auszutauschen, wobei die Schauspieler auf alle Fragen der Schülerinnen zum Theater, zu ihrem Beruf, zu ihrer Person etc. eingegangen sind.

Es gibt selten Veranstaltungen, die das Interesse eines jeden Zuschauers ansprechen, doch angesichts dieser Darbietung wird wohl jeder die folgende Aussage unterschreiben: „Das interaktive Theater war ein voller Erfolg!“

(Verena Lörsch, MSS 11)

Echos von Schülerinnen:

„Es war eine Achterbahn der Gefühle, weil man emotional mitgerissen wurde. Ich würde mir immer wieder solch ein Schauspiel ansehen, da es mich vom ersten Augenblick an gefasst und mitgerissen hat.“

„Die spitzen Kommentare gestalteten eine witzige und abwechslungsreiche Atmosphäre.“

„In meinen Augen war die Theateraufführung ein voller Erfolg.“

„(…) aber nach 5-10 Minuten habe ich gemerkt, dass jede Unterbrechung, jeder Satz und jede Bewegung eingeübt sind und das nichts improvisiert ist“

„Man hat ein etwas kompliziertes Buch verständlich dargestellt und in mir die Neugier darauf geweckt.“

„Es war eindrucksvoll (…), da der Stoff „Der Tunnel“ von Dürrenmatt durch die hervorragende und gekonnte Darbietung noch an Spannung und Thrill dazugewonnen hat.“

„Der inszenierte Streit hat die Ernsthaftigkeit des Stückes aufgelockert.“

„Der Bezug zur Heilig-Rock-Wallfahrt kam nicht deutlich zum Ausdruck, jedoch hat es (…) nachdenklich in Bezug auf Glauben gestimmt.“

„Ich persönlich habe sogar einen Moment über eine Schauspielkarriere nachgedacht.“

„Die Figuren Ernst und Kai wurden derart glaubhaft dargeboten, dass man meinen konnte, es seien die tatsächlichen Charaktere.“

„Diese Art von Unterricht müsste es öfter geben.“

„Ich liebe Theaterstücke, über die man danach noch viel nachdenkt und redet.“

 



Schuljahr:

März 2024

Februar 2024

Januar 2024

Dezember 2023

November 2023

Oktober 2023

September 2023

August 2023