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Deutsch LK 11 in Wiesbaden bei der Aufführung von “Emilia Galotti” · 28. November 2011

Am 16.11.2011 wurde im Hessischen Staatstheater in Wiesbaden Lessings „Emilia Galotti“ aufgeführt. Schülerinnen der drei Deutsch-LKs der Jahrgangsstufe 11 besuchten die Darbietung und äußerten sich im Nachhinein über die Inszenierung von Ricarda Beilharz:

„Emilia Galotti“, ein bedeutsames Drama in der Epoche der Aufklärung, reizt auch heute noch Regisseure und Rezipienten. In dem bürgerlichen Trauerspiel von Gotthold Ephraim Lessing begehrt der Prinz von Guastalla, Hettore Gonzaga, die bürgerliche Emilia Galotti, die jedoch mit dem Grafen Appiani verlobt ist. Durch üble Machenschaften wird Appiani am Hochzeitstag Opfer eines Mordanschlags. Emilia rettet sich auf das Lustschloss des Prinzen und gelangt damit in die Gewalt des Herrschers. Am Ende gelingt es Emilia, ihren Vater so zu provozieren, dass er sie erdolcht, um der Machtwillkür des Adels und ihrer eigenen Verführbarkeit zu entgehen und vor der Schande bewahrt zu bleiben.

Den Oberstufenschülerinnen, die das Drama intensiv gelesen hatten, haben sich durch den Besuch der Wiesbadener Aufführung und der anschließenden Besprechung der Beilharz’schen Inszenierung neue Interpretationszugänge erschlossen.

Der Zuschauer blickt zu Beginn der Aufführung auf eine düstere Bühne. Die Stimmung ist gruselig. Das Publikum wartet gespannt, was passiert. Inmitten des umnebelten halbdunklen Raums hockt der Prinz von Guastalla und wird durch die Bittschrift einer Emilia Bruneschi an Emilia Galotti erinnert. Er wiederholt ihren Namen, während sich eine wabernde Silhouette vom Boden aufrappelt und einen großen roten Blutfleck vorne auf ihrem weißen Brautkleid zur Schau stellt. Zu den beiden Gestalten gesellen sich bei schauriger Musik alle weiteren Personen des Dramas. Die Szene endet tumultartig und präludierte eine spannende und effektvolle Inszenierung des Stücks.

So einfach und schlicht das Bühnenbild im „Kleinen Haus“ des Wiesbadener Staatstheaters aussieht, so vielfältig funktional und unterschiedlich deutbar ist die Verwendung der wenigen Requisiten. In der Mitte des vollständig mit Erde ausgelegen Bodens der Bühne, an deren Rand vereinzelt Blumen stehen, liegt ein großer dunkler Teppich. Des Öfteren wird in dem Stück etwas „unter den Teppich gekehrt“, zum Beispiel der Brief Orsinas, der Mätresse des Prinzen Hettore von Guastalla, in welchem sie den Regenten im ersten Akt des Dramas zum Rendez-vous bittet. Der Teppich dient im zweiten Akt als Auslegeware im bürgerlichen Anwesen der Eltern Emilias und im dritten, der wieder in der Welt des Fürsten spielt, als Fußabtreter der adeligen Gegenspieler. Der Prinz (Jörg Wisbach) und sein skrupelloser Kammerherr Marinelli (Michael von Burg) stecken für alle sichtbar unter einer Decke; sie liegen für kurze Zeit unter dem Teppich, mit dem sie sich zudecken. Am Ende des Dramas wird Emilias Vater in den Teppich eingewickelt, gefesselt und damit zur Handlungsuntätigkeit gezwungen.

Mit der auf dem Bühnenboden verstreuten Erde wird Emilia durch die Hand des Prinzen beschmutzt. Später wühlt sie selbst darin, nimmt eine Handvoll Erde und lässt sie über sich rieseln. Und schließlich dient die schwarze Erde der verlassenen und betrogenen Orsina dazu, in großen Lettern das Wort „Mörder“ an die Wand des eher schauerlich wirkenden Lustschlosses zu schreiben, und zwar spiegelverkehrt, damit es von draußen lesbar ist. Die Zuschauer sehen jedoch, dass die im Hintergrund emporragenden hohen Wände fensterlose sind, so dass die Demaskierung des Prinzen und eine Aufklärung über den Meuchelmord durch den Drahtzieher Marinelli unwahrscheinlich scheinen. Die Machenschaften der Machthaber bleiben für die Öffentlichkeit undurchsichtig; die Verbrechen der höfischen Intriganten mit ihrer Verschleierungstaktik ungesühnt.

Michael von Burg bringt die Hinterhältigkeit und Wortgewandtheit Marinellis besonders glaubhaft zum Ausdruck. Irritationen beim den Zuschauern erweckt dagegen die Spielweise Appianis, des Verlobten Emilias, dessen Lebensfreude, Heiterkeit und Liebesäußerungen gegenüber seiner Braut weder mit Lessings Regieanweisungen übereinstimmen, die ihn „mit niedergeschlagener Miene“, „nachdenklich und schwermütig“ charakterisieren, noch mit der Replik von Emilias Mutter, die Zeugin des zweihändigen ausgelassenen Akkordeonspiels der beiden Verliebten wird und daraufhin – völlig textkonform, aber in dieser dramaturgischen Umsetzung unmotiviert – ihren Schwiegersohn in spe anspricht mit den Worten: „Sie sind heute ernster als gewöhnlich.“

Gewöhnungsbedürftig ist die schauspielerische Umsetzung der Emilia durch Franziska Werner, die mit schlafwandlerischer Verwirrtheit auftritt. Verwunderung herrscht zum Beispiel darüber, dass die tugendhaft erzogene Emilia sowohl mit ihrem Verlobten als auch mit dem Prinzen relativ hemmungslos und leidenschaftlich agiert. Dass sie mit Appiani glücklich ist und erwartungsvoll der Hochzeit entgegensieht, ist verständlich; dass und wie sie nach dessen Tod auf die Werbung Hettores eingeht, weniger.

Uwe Kraus als Odoardo Galotti hat zwar etwas Feurig-Italienisches, spielt jedoch seine autoritäre Rolle als Pater familias nicht genügend aus und auch Claudia Galotti (Monika Kroll), Emilias Mutter, wirkte etwas blass und verkörperte nicht gerade eine „Löwin, der man die Jungen geraubt“, wie Lessing sie in einer Selbstaussage sprechen lässt.

Bedauerlich ist, dass die Rolle des Rota unbesetzt blieb. Der bürgerliche Rat hat in Lessings Aufklärungsdrama zwar nur einen kurzen, dafür aber umso gewichtigeren Auftritt, in dem er die Haltung, die Ansichten und die Intelligenz des Bürgertums eindrucksvoll darstellt.

Die blonde Doreen Nixdorf, die Orsina, die Ex-Geliebte des Prinzen, spielt, wirkt in ihrem engen weißen Minikleid fast zu hübsch, auf jeden Fall zu jung, um die Rolle der desillusionierten, enttäuschten Gräfin, Aufklärerin und Philosophin auszufüllen. Es befremdet, dass sich Orsina nach Emilias Tod wieder mit dem Prinzen einlässt, was ein deutlicher Rückschritt in ihrer Emanzipation bedeutet.

Vielfach erscheint die Dramaturgie überspitzt und überzogen; an etlichen Stellen wird der Ernst der Lage ins Lächerlich-Komische verkehrt. So leert der Prinz mit seinem auf einer Kiste sitzenden Kammerherrn eine Bierflasche, bevor Marinelli sie dann an seinem Kopf zerschlägt. Zeitweise erklingt Musik aus „La Traviata“ aus einem ferngesteuerten Ghettoblaster. Marinellis Witz über die Prinzenrolle und sein akrobatischer Klamauk mit seinem Herrn kamen aber beim Publikum durchaus an und wurden schließlich mit tosendem Applaus beantwortet.

Am Ende des Stückes bot sich den Zuschauern das gleiche Bild wie am Anfang der Aufführung: Die Tragödie kann von Neuem beginnen, als Perpetuum monbile – sofern keiner eingreift!

Wenn man sich gründlich mit dem Drama „Emilia Galotti“ auseinandergesetzt hat, ist Ricarda Beilharz Inszenierung unserer Meinung nach sehenswert. Spannend und anregend ist es dann, darüber zu diskutieren, ob und inwiefern Lessings Intention mit dem bürgerlichen Trauerspiel getroffen oder verzerrt wurde.

LK Deutsch, Jahrgangsstufe 11 mit Sr. Theodore

 



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